Wir dürfen uns über Rebberge, den Munot und Rheinfall lustig machen, die ganze Heimat-Verklärung lächerlich finden und auf gutschweizerische Pünktlichkeit scheissen. Wir dürfen es, weil Schaffhausen trotz alledem unsere Heimat ist und wir mit dem roten Pass wedeln und weiterschimpfen können, wenn uns jemand ein anderes Denken aufzwingen will.
Ganz anders sieht es für AusländerInnen aus. Von ihnen wird gefordert, dass sie jederzeit nett und brav sind. Dass sie Intergrationsvereinbarungen unterzeichnen, die Gesetze nie übertreten und sogenannte «Schweizer Werte» super finden. Bevor du die Schweizer Staatsbürgerschaft erhältst, wird man in Neuhausen zum Beispiel gefragt, wie die Haltestellen der Linie 1 in der richtigen Reihenfolge lauten. Uns dagegen darf das am Arsch vorbeigehen, selbst wenn wir in Neuhausen wohnen oder Einwohnerrat werden wollen.
«Wir müssen von Menschen, die in unserer Mitte leben wollen, verlangen, dass sie sich zu unseren Regeln und Werten bekennen – ohne Wenn und Aber», formuliert Robin Blanck. Doch was sind diese Werte, an die sich die AusländerInnen orientieren sollen? Diejenigen von SVP und den «SN»? Gibt es überhaupt bestimmte Werte, hinter denen alle SchweizerInnen stehen?
Bald könnte der Graben noch tiefer werden. Die Durchsetzungsinitiative der SVP schafft eine Apartheid zwischen BewohnerInnen mit und solchen ohne rotes Büchlein. Schon jetzt kommt es in der Primarschule vor, dass Kinder bei Völkerball fragen, ob sie «Schweizer gegen Ausländer» spielen dürfen. Und Kinder, die hier aufgewachsen sind, sagen von sich, dass sie Ausländer sind – auch wenn sie das Ausland gar nicht kennen. In den Köpfen ist die Trennung schon weit fortgeschritten.
Wenn man einen Ausländer zum zweiten Mal aktiv in eine Schlägerei verwickelt, wird er sich nicht mehr wehren dürfen – sonst wird er ausgeschafft. Seine Wahl: Verprügelt werden und hier bleiben, oder zurückschlagen und die Heimat verlassen.
Die Verteidigung der Heimat dient gerade als Deckmantel für «nicht weniger als eine Aufgabe des bisher geltenden Demokratieverständnisses» (Bundesrichter Thomas Stadelmann über die Durchsetzungsinitiative). SVP-PolitikerInnen wie Christoph Blocher (Seite 23) sprechen von «Bewahren», meinen damit aber die Durchsetzung ihrer eigenen Werte als Werte aller SchweizerInnen. Blocher, Gabriel Vetter (Seite 31) und die spanisch-schaffhauserische Familie Abad (Seite 19) beurteilen die gleiche Heimat ganz unterschiedlich. Man kann sie auch mit selbsgebrösmeleten Sagen verklären (Seite 34). Und dem Chüeli-Alphorn-Rheinfall-Alpen-Heimatbild halten wir mit einer Fotostrecke (Seite 26) samt Haamet-Model Lara (kein Tippfehler) Stoll den Spiegel vor, welche die weniger klischeehaft idyllischen, dafür um so typischeren Orte unserer Heimat Schaffhausen in den Fokus rückt.
Heimat ist subjektiv. Werden Werte für absolut erklärt, leben wir in einer Diktatur. Bei unserer subjektiven Auswahl der Heimatbilder und Gesprächspartner darüber wünschen wir viel Spass.