Die lasche Lobby der Landwirte

Keine Berufsgruppe ist im Schaffhauser Kantonsrat stärker vertreten als die LandwirtInnen, gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung.

So würde der Rathausbogen aussehen, wenn die LandwirtInnen im Kantonsrat mit ihrem ARBEITSGERÄT an die Sitzungen fahren würden. Bild: mg.

Als der Nationalrat den Bauern des Landes im vergangenen April ein Steuergeschenk in der Höhe von 400 Millionen machte, ging ein Raunen durch die Schweiz. Da sah man es wieder: Niemand hat in Bern eine so starke Lobby wie die LandwirtInnen.

Sieben Vertreter der Landwirtschaft

Und in Schaffhausen? Vor dem Kantonsratssaal gibt es keine Wandelhalle, in der LandwirtschaftslobbyistInnen den Parlamentsmitgliedern auflauern könnten. Das ist auch gar nicht nötig, denn der «Bauernstand» sitzt gleich selbst im Kantonsrat, und wie: 5 von 60 Mitgliedern geben als Beruf «Landwirt» oder «Landwirtin» an. Sie alle gehören wenig überraschend zu der Fraktion, die ganz rechts sitzt: Barbara Hermann, Hansueli Scheck, Hans Schwaninger und Josef Würms vertreten die SVP, Andreas Schnetzler die EDU.

Zu diesen fünf kommen noch Virginia Stoll (SVP), die als Bauernsekretärin und Leiterin der bäuerlichen Versicherungsberatung des Kantons arbeitet und deren Familie ebenfalls einen Hof führt, sowie Bernhard Müller (SVP); er sitzt im Verwaltungsrat der Aggro Marketing AG in Amriswil, die LandwirtInnen in Marketing- und Kommunikationsfragen unterstützt. Rechnet man Müller dazu, besteht der Kantonsrat zu 11,7 Prozent aus Vertretern der Landwirtschaft. (Stand September 2016, vor den Wahlen. Gezählt sind die Kantonsräte der zu Ende gehenden Legislatur 2012-2016.)

Alle LandwirtInnen im Schaffhauser Kantonsrat gehören zur Fraktion der SVP. Für die Parlamentswahlen 2016 ist die SVP erstmals mit einer speziellen «Bauernliste», angetreten, der SVP-AGRO. Sie holte im Klettgau einen Sitz, gewählt wurde der Landwirt Hansueli Graf aus Oberhallau. Insgesamt wurden am 25. September vier VertreterInnen der Landwirtschaft gewählt. Grafik: mg.

Übervertreten um Faktor 9,1

Damit sind die Bäuerinnen und Bauern massiv übervertreten, denn nur 1,28 Prozent der Bevölkerung arbeiten in Voll- oder Teilzeit als LandwirtIn. Man rechne: Im Kantonsrat ist der Anteil LandwirtschaftsvertreterInnen 9,1 mal so hoch wie in der Bevölkerung. Nicht eingerechnet ist FDP-Kantonsrat Beat Hedinger, der als Geschäftsführer des Blauburgunderlandes ebenfalls als Vertreter der (Wein-)Bauern gelten könnte.

Man hört häufig, es habe zu viele AkademikerInnen im Kantonsrat. Oder zu viele Staatsangestellte, insbesondere LehrerInnen. Allerdings sind die AkademikerInnen im Kantonsrat nur um einen Faktor 2,3 und selbst die LehrerInnen nur um einen Faktor 6,4 übervertreten. Auch in absoluten Zahlen hat es im Kantonsrat mehr LandwirtInnen (fünf) als LehrerInnen (vier). Aus den Kantonsratswahlen vom 25. September geht die Bauernlobby geschwächt hervor: Wiedergewählt wurden nur die drei VertreterInnen Andreas Schnetzler (EDU), Virginia Stoll und Josef Würms (beide SVP), neu in den Kantonsrat gewählt ist Hansueli Graf, der auf der Liste SVP-Agro einen Sitz errang. Mit vier LandwirtInnen im Kantonsrat sinkt der Faktor der Übervertretung auf 5,2.

In der zu Ende gehenden Legislatur sind aber weiterhin sieben LandwirtschaftsvertreterInnen im Parlament. 9,1-fache Übervertretung: Es hat sehr, sehr viele LandwirtInnen im Kantonsrat. Aber nützt das den Bauern auch etwas? Schliesslich werden die für die Landwirtschaft wichtigsten Fragen in Bern und nicht auf Kantonsebene entschieden. Beim eingangs erwähnten Steuergeschenk ging es beispielsweise darum, dass LandwirtInnen dem Bund keine Gewinnsteuer bezahlen sollen, wenn sie Bauland verkaufen.

Bauern gegen Abgaben

Ähnliche Entscheide fallen jedoch auch auf Kantonsebene. Im Rahmen der Umsetzung des neuen Raumplanungsgesetzes stand die Frage im Raum, wie viel jemand bezahlen muss, dessen Acker plötzlich zu Bauland wird und dadurch viel mehr Wert hat. Heute wird dieser Gewinn nicht besteuert, der Bund fordert eine Abgabe von mindestens 20 Prozent, die Kommission hatte 30 Prozent vorgeschlagen.

Landwirt und Baulandbesitzer Josef Würms wollte die Abgabe auf das Minimum von 20 Prozent senken und verteidigte seinen Antrag – mit den anderen LandwirtInnen im Rücken – erfolgreich gegen Vorschläge von Links (35 beziehungsweise 60 Prozent). Erst in der Abstimmung gegen den Vorschlag der Kommission, also in der Frage 20 oder 30 Prozent Mehrwertabschöpfung, musste sich Würms geschlagen geben. In der zweiten Lesung des Gesetzes könnte die Debatte nochmals aufgerollt werden.

Fazit, wer hätte das gedacht: Die Bauern im Kantonsrat stimmen im Interesse der Bauern ab. Auffällig ist hingegen, dass die LandwirtschaftsvertreterInnen in der laufenden Legislatur nicht ein Postulat und auch keine Motionen geschrieben haben – sie scheinen keine Wünsche an die Landwirtschaftspolitik des Kantons zu haben. Ob dies damit zu tun hat, dass der Regierungsrat zu einem Fünftel (Ernst Landolt) aus Bauern besteht?