Militärdienstverweigerer in lächerlichen Uniformen, die von Armeefetischisten zu unnützen Arbeiten gezwungen werden – das kann nicht gut gehen. Dabei wäre es so einfach.
Niemand geht gerne in den Zivilschutz. Die ganze Truppe besteht aus Menschen, die nicht in die Armee wollten und es irgendwie nicht geschafft haben, sich vollständig untauglich stempeln zu lassen. Oder die zu faul waren, sich die notwendige Bürokratie anzutun, um Zivildienst leisten zu können – der notabene länger dauert als die Ausbildung zum Kanonenfutter im Tarnanzug.
Diese Leute bei Laune zu halten ist nicht einfach – vor allem, wenn die Chefs ihre Leute zu führen versuchen, wie es während des Kalten Kriegs üblich war und wie sie es bei der Armee anno vorgestern gelernt haben. Manifest eines frustrierten Leutnants.
1. Später einrücken fördert die Truppenmoral
Wenn die Dienstleistenden früher aufstehen müssen, als wenn Sie zur Arbeit müssten, ist die viel beschworene Truppenmoral schon von Anfang an im Keller. Für den «Zug» des Schreibenden wurde das «Einrücken» aus unerfindlichen Gründen von 8 Uhr auf 7.30 Uhr vorverschoben. Mehr geleistet wurde dadurch noch nie, stattdessen gibt es regelmässige Standpauken zur Pünktlichkeit, die etwa diejenige Zeit beanspruchen, um die man früher einrückt.
Weil viele Zivilschützer zudem nach dem «Abtreten» noch ins Büro müssen, um die liegengebliebene Arbeit nachzuholen, sind die frühe Einrückzeit und damit die gesamten Einsätze ein einziges grosses Ärgernis. Um neun einzurücken, würde reichen: Alle wären motivierter und würden die gleiche Arbeit auch so schaffen. Beginnt der «Diensttag» schon im kalten Morgengrauen, muss man spätestens um neun ohnehin eine Kaffeepause einlegen, damit keine Meuterei ausbricht.
2. Schluss mit dem Uniform-Fetischismus
Es vergeht kein Zivilschutz-Tag ohne Diskussionen über das «Tenue». Wer den Reissverschluss der Jacke in fürchterlichem Orange-Khaki nicht auf den Zentimeter genau bis zur exakt richtigen Position hochgezogen hat, kassiert einen Rüffel. Wenn der Inhalt himmeltraurig ist und bleibt, konzentriert sich Herr Major halt gern auf die Verpackung.
Das Schlimmste sind die «Kampfstiefel»: AltersheimleiterInnen beschweren sich, wenn die Zivilschützer auf Linoleumböden schwarze Streifen hinterlassen. Und ob es besonders schlau und sensibel ist, Kriegsflüchtlinge in Kampfstiefeln willkommen zu heissen, ist mehr als fraglich. Davon wollen gewisse Kommandanten aber nichts hören und bestehen auf den vorsintflutlichen Klötzen an den Beinen. Egal, ob im Wald oder im Museum gearbeitet wird. Überhaupt, die Uniform: Sie macht den Zivilschutz im Alleingang zum Gespött der Leute. Daran ändert sich nichts, wenn pedantisch kontrolliert wird, dass alle diesen lächerlichen Aufzug korrekt tragen. Ein Shirt oder ein Pulli, auf dem «Zivilschutz» steht, würde reichen.
3. Zivilschutz muss kostendeckend sein
Das Essensbudget, das der Bund zur Verfügung stellt, deckt meist nur das Essen in einer mittelmässigen Landbeiz, dazu gibt’s Hahnenwasser. Wer in der oben erwähnten, obligaten Pause einen Kaffee braucht, beim Zmittag ein Rivella und danach nochmals einen Kaffee trinken will, hat seinen Sold (5 Franken am Tag!) schon dreifach ausgegeben, bevor er ihn bekommt.
Und: Ein Chef, der seinen Zivilschützern ab und zu erlauben würde, über Mittag ein Bier zu bestellen, würde Motivation, Dankbarkeit und Respekt ernten.
4. Sinnvolle Aufgaben und Mitbestimmung
Es gibt tausende Zivilschützer, die jedes Jahr eine Woche lang ein Funknetz auf- und wieder abbauen, Geräte in den Wald schleppen, um sie nach dem «beüben» wieder feinsäuberlich zu putzen und Jahr für Jahr denselben Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Richtiger Drill ist mit den Pazifisten, die beim Zivilschutz gelandet sind, nicht möglich, aber das drilltypische ewige Wiederholen scheint nicht kurierbar. Nur ein Mangel an sinnvollen Aufgaben kann erklären, wie es passieren konnte, das Schaffhauser Zivilschützer in der unter Schutz stehenden Naturhöhle Winterlislöchli in Wilchingen – einer der wichtigsten prähistorischen Siedlungsplätze der Region – illegal einen Betonboden gebaut haben, der später aufwändig wieder entfernt werden musste.
Im Zivilschutz sind zahlreiche Berufsgruppen vertreten und Leute aus dem ganzen Kanton kommen zusammen. Sie hätten bestimmt Ideen für sinnvolle Aufgaben. Vielleicht sogar solche, von denen am Schluss jemand profitiert; jede Gemeinde hätte genug Arbeit, bei der ihr der Zivilschutz helfen könnte.
Befehlen und Befolgen liegt den Vorgesetzten, die ihr Sitzleder und die Streifen auf den Schultern bei der Armee abverdient haben, zwar näher als Mitbestimmung, und beim Kriegspielen haben sie nicht gerade sinnvolle Arbeit vorgelebt bekommen. Aber wer über seine Arbeit mitentscheiden darf, macht sie motivierter und besser.
Und wenn es nichts zu tun gibt – jeder Zivilschützer weiss, wie oft dies der Fall ist – muss man auch mal weniger «Diensttage» planen und mehr Leute in die Reserve schicken, anstatt immer neue (beziehungsweise alte) nutzlose Beschäftigungsprogramme zu ersinnen. Der Bund verlangt von den kantonalen Zivilschutzorganisationen ohnehin mehr Sparsamkeit.
5. Militarismus ist im Zivilschutz fehl am Platz
Es ist 7.30 Uhr, vielleicht fünf Minuten drüber. «Appell» heisst die nun folgende Zeremonie. Den unausgeschlafenen Militärdienstverweigerern steht ein vom Staat überbezahlter Möchtegerngeneral gegenüber, der etwas von Pünktlichkeit und korrektem Tenue bellt, als hätte er ein Sturmgewehr 90 gefrühstückt. Davon wird sich die Stimmung nicht mehr erholen.
Das Zivilschutzkader ist satt gefüllt mit gescheiterten Armeeoffizieren, die sich in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit schampar wichtig fühlen dürfen, weil ihnen niemand sagt, dass sie glorifizierte «Züghüüsler» sind.
Stellen wir diese kalten Krieger dorthin, wo auch das bereits erwähnte Sturmgewehr hingehört: zum Alteisen. Der Zivilschutz braucht Führungsleute, die das Personal nicht wie Soldaten, sondern wie Menschen behandeln. Ist das zu viel verlangt?