Eine Auswertung der Abstimmungsempfehlungen zeigt: Die «Schaffhauser Nachrichten» teilen meistens die politischen Ansichten der SVP.
Jene, die «Weltwoche», «BaZ» und «SN» in einem Atemzug nennen, munkelten es schon lange, nun beweist der Lappi: Die einzige Schaffhauser Tageszeitung politisiert wie die Schweizerische Volkspartei. Die Analyse der Abstimmungsparolen der «SN» zu allen kantonalen Volksabstimmungen seit 2003 zeigt: Die «SN» fällten bei 73 Vorlagen 55 Mal die gleiche Parole wie die SVP. Das heisst, bei drei von vier Vorlagen sind die «SN» gleicher Meinung wie die Volkspartei. Mit keiner anderen Partei ist diese Übereinstimmung grösser, auch nicht mit der FDP.
Immer näher an der SVP
In jüngster Vergangenheit ist die Übereinstimmung mit der SVP immer grösser geworden. Bei den letzten 18 Abstimmungen gaben die «SN» 15 Mal dieselbe Parole heraus. Die einzigen Ausnahmen waren das Tourismusgesetz und zwei ESH4-Massnahmen.
Beim Tourismusgesetz im Oktober des letzten Jahres entschieden sich die «SN» für «ein zähneknirschendes Ja», während die SVP die Nein-Parole fasste. Allerdings war diese Parole in der SVP umstritten. Während die Partei im Kantonsrat dem Tourismusgesetz noch mehrheitlich zugestimmt hatte, entschied sich erst die Basis gegen das Gesetz. Bei den Abstimmungen über das Sparpaket ESH4 im Juli blieben die «SN» allerdings voll auf der Linie der Freisinnigen und empfahlen ein Ja zu allen fünf Vorlagen, während die SVP zwei der fünf ESH4-Massnahmen ablehnte.
Das erinnert an frühere Zeiten. Von 2003 bis Ende 2006 haben sich die «SN» – wenn sich FDP und SVP uneins waren – häufiger auf die Seite der FDP geschlagen. Ab 2007 setzte der Turnaround ein. Seither nimmt die Zeitung häufiger die Position der Volkspartei ein.
Auch auf nationaler Ebene haben sich die «SN» in den vergangenen Jahren schon klar gegen alle anderen Parteien auf die Seite der SVP geschlagen. Ein prominenter Fall war die Masseneinwanderungsinitiative, die der inzwischen verstorbene Chefredaktor Norbert Neiniger höchstpersönlich zur Annahme empfohlen hatte. Die Durchsetzungsinitiative war dann aber selbst einer Mehrheit der «SN»-Redaktion zu «willkürlich». Die Nein-Empfehlung schrieb aber nicht der neue Chefredaktor, Robin Blanck, sondern Redaktorin Anna Kappeler.
Der Lappi fragte Robin Blanck, ob er eine Erklärung dafür hat, warum sein Blatt auf SVP-Linie politisiert – und überhaupt: Wie kommt eine Parole in den «SN» zustande? Wer entscheidet darüber? Der Chef? Die Redaktion? Was geschieht, wenn sich die Redaktion uneins ist? Kommt das überhaupt vor? Wie häufig?
Darauf antworten will Blanck nicht. Er hält sich kurz und sagt: «Die Parolenfassung der ‹SN›-Redaktion erfolgt in internen Diskussionen, zuweilen ziehen wir externe Fachexperten als Auskunftspersonen bei. Weitere Details geben wir nicht bekannt.»
Selbst wenn es die «SN» nicht offiziell machen wollen: Die Zeichen, dass sich das Blatt der Ideologie Blochers verschrieben hat, sind unverkennbar. Diese Anekdote soll sich vor ein paar Jahren zugetragen haben: Im Büro von Norbert Neininger klingelt das Telefon. Am anderen Ende des Apparats ist Christoph Blocher und brüllt in den Hörer: «Warum habt ihr kein Wort über meine 1.-August-Rede geschrieben?!»
Der Financier und Chefideologe der SVP ist sich gewohnt, dass er im Hause «Meier + Cie» wohlwollend behandelt wird. Schliesslich strahlt das Schaffhauser Fernsehen, das neben Radio Munot und den «SN» ebenfalls der Meier + Cie AG gehört, seit September 2007 die Sendung Teleblocher aus, in der Christoph Blocher freie Hand hat, über alles und jeden herzuziehen. Der Autor des im Meier-Verlag erschienenen Buches «Das Blocherprinzip», Matthias Ackeret, amtiert dabei mehr als Stichwortgeber denn als kritischer Journalist. Über 460 Folgen von Teleblocher wurden inzwischen produziert.
Genügend Raum für Blocher-Jünger
Blocher selbst sagte gegenüber dem Lappi, er finanziere die «SN» nicht. Er könne ja nicht jede Zeitung kaufen. Aber das scheint auch gar nicht nötig zu sein. Das Blatt bietet seinen Schaffhauser Jüngern Pentti Aellig und Walter Vogelsanger (nicht der Sozialdemokrat aus Beggingen; der andere, der oft von Muslimen träumt) auch so genug Platz, ein Asylchaos und Behördenskandale wie das Schweinefleischverbot im Zivilschutz zu erdichten.
Das Gegenstück zu den «SN» ist die «schaffhauser az», ehemals «Arbeiterzeitung». Bernhard Ott, Chefredaktor der «az», zeigt sich im Gegensatz zu Robin Blanck auskunftsfreudiger. Ott macht keinen Hehl daraus, dass die «az» – obwohl «keine Parteizeitung mehr» – sich selbstverständlich mit der Linken im Kanton Schaffhausen verbunden fühlt, «ganz abgesehen davon, dass sich das Aktionariat der az Verlags AG, der Besitzerin der ‹az›, ganz überwiegend aus SP-Mitgliedern und SP-Sektionen zusammensetzt.»
Dementsprechend wenig erstaunlich ist, dass die «az» bei 56 von 73 Abstimmungen dieselbe Parole wie die SP fasste. Und bis vor ein paar Jahren sei es klar gewesen, dass die «az» keine von der SP abweichenden eigenen Parolen publiziert. Aber: «Inzwischen ist es so, dass die Redaktion die zur Abstimmung kommenden Geschäfte diskutiert und völlig frei ist, eine eigene Parole zu fassen. Wenn sie sich nicht einig wird, kann sie Stimmfreigabe beschliessen und das umstrittene Geschäft mit einer Pro- und Kontra-Empfehlung der Leserschaft vorstellen», so Ott.
Dies wird bei der «az» praktiziert. Alleine bei den letzten 19 kantonalen Vorlagen beschloss die «az» sechs Mal Stimmfreigabe – vor allem dann, wenn sich die linken Parteien SP und AL uneins waren. Zuletzt war das beim Tourismusgesetz, beim Spitalgesetz und bei der Kapitalsteuer der Fall.
Ein Blatt links, ein Blatt rechts
Die Analyse zeigt: Die Schaffhauser Medienlandschaft polarisiert nach links und nach rechts. Während SVP und die linken Parteien sich sicher sein können, eine – wenn auch ungleich gewichtige – Stimme in der Schaffhauser Medienlandschaft auf sicher zu haben, droht die politische Mitte ungehört unterzugehen.
Der frühere englische Politiker und Publizist Edmund Burke († 1797) hätte daran wohl keine Freunde gehabt. Er brachte als Erster die Presse als vierte Gewalt im Staat ins Spiel. Eine Gewalt, die zwar selber keine Macht in dem Sinne hat, dass sie die anderen drei Gewalten sanktionieren kann, aber durch ihre Berichterstattung das Volk – den Souverän – erst ins Spiel bringt. Dann wiederum könne das informierte Volk sanktionieren: Am Wahltag oder am Abstimmungstag. Wenn die Medien allerdings unreflektiert Parteimeinungen verbreiten, sind sie laut Burke keine vierte Gewalt – und verfehlen ihren Zweck.
Volle Transparenz: Jimmy Sauter und Mattias Greuter arbeiten als Redaktoren bei
der «az ».