Verbessern statt vermarkten

Echtes Standortmarketing wäre ganz einfach. Der Lappi hat ein paar Vorschläge, die Schaffhausen deutlich attraktiver machen würden.

Das «kleine Paradies» ist Geschichte. Die Kampagne der Wirtschaftsförderung wurde nach sechs Jahren im Zuge des Sparpaketes ESH4 endgültig beerdigt. Das Prestigeprojekt der Generis AG, am Boden. Gut so, finden wir. Mit Hochglanzbeilagen und Sprüchen wie «In Schaffhausen haben Väter mehr Freizeit» in Zürcher Trams lockt man sowieso keine Steuerzahler an.

Die Regierung kündigte 2008 in einer Pressemitteilung «EIN CREDO IN SIEBEN SÄTZEN» für die Kampagne «Schaffhausen. Ein kleines Paradies» an. Gereicht hat’s allerdings nur für sechs Sätze:
STANDORT. Wir sehen unsere Lage und unsere Grösse als Vorteil.
NATUR. Wir tragen Sorge zur Natur, pflegen sie und lassen ihr Raum.
FAMILIE. Wir fördern die Familie als Basis unserer Zukunft.
GASTGEBER. Wir freuen uns über Besucher und über Personen/Firmen, die sich bei uns niederlassen.
OFFENHEIT. Wir interessieren uns für Neues und Ungewohntes.
ENTWICKLUNG. Wir entwickeln unser kleines Paradies permanent weiter.

«Verbessern statt Vermarkten» müsste das Motto einer zielführenden Strategie lauten, denn keine BotschafterInnen sind besser als zufriedene BürgerInnen. Wenn die Leute, die hier wohnen, zufrieden sind, kommen die ZuzügerInnen automatisch. Man nennt das «Mund-zu-Mund-Propaganda», liebe Wirtschaftsförderer, und diese lässt sich nicht mit einer teuren Kampagne erzwingen.

Die Lappi-Redaktion hat die Köpfe zusammengesteckt und überlegt, welche Veränderungen das Image unserer Stadt und Region nachhaltig verbessern würden und dafür bestimmt weniger lange gebraucht als die Urheber der öden «Paradies»-Kampagne.

Dabei haben wir uns die Frage gestellt, in was für einer Stadt wir gerne leben würden. Da wir allesamt einigermassen jung sind, erscheinen unsere Vorschläge vielleicht ein wenig einseitig. Aber schliesslich braucht Schaffhausen mehr Junge, nur schon aus demografischen Gründen.

Kultur

Wollen wir junge, kreative Köpfe anlocken, müssen wir ihnen ein kreatives Umfeld bieten. Und mit der Schliessung der Hallen für Neue Kunst wurde uns eine grossartige Chance praktisch auf dem Silbertablett serviert. Tausende Quadratmeter ehemalige Industriefläche liegen brach und drohen weitere Jahre leer zu bleiben. Nutzen wir diesen Raum! Wenn irgendwo in der Schweiz junge Kreative kein bezahlbares Atelier finden, sollen sie nach Schaffhausen ziehen wollen, weil hier genau das vorhanden ist. Zusammen mit Probebühnen und Ausstellungsräumen – die «Hallen» sind gross und die Räume können variabel genutzt werden – muss ein Kulturzentrum entstehen. Jeder Quadratmeter Bürofläche im Kammgarn-Westflügel wäre ein Kulturabbau.

Doch nicht nur für Berufskreative soll mehr Raum geboten werden. Anfangen wollen wir mit den toten Plätzen der Stadt, die dringend bespielt werden müssen. Herrenacker: Mehr als ein teures Festival einmal im Jahr. Wir wollen Grünflächen, Ping-Pong-Tische, Bistros und ein Strassenschach. Mosergarten: Regelmässige Veranstaltungen, auch mal länger als bis 22 Uhr, wenn es im Sommer immer noch hell ist. Man könnte eine Idee aufnehmen, die auch schon in anderen Schweizer Städten im Gespräch ist: Eine urbane Wohnzone, wo die Nachtruhe später beginnt und Kulturinstitutionen mehr Spielraum haben. Vielleicht auf der Achse Mosergarten–Kammgarn–Neustadt, wo die Kultur sowieso schon angesiedelt ist und wo es dafür genügend Potenzial und willige Leute gäbe.

Im Rahmen der städtischen Kulturförderung sollen leerstehende Gebäude zur Zwischennutzung an Interessierte mit einer Projektidee vermittelt werden. Ein Highlight des Kulturjahres 2014 war die «Tempogarage» in einer Abbruchbude an der Fischerhäuserstrasse. Davon wollen wir mehr!

Stadtplanung

Eine andere Forderung ist ebenso banal wie einfach umzusetzen: Mehr Bänkli in der Stadt! Die Werbebänkli der Pro City kamen vor allem deshalb gut an, weil es sonst viel zu wenig Sitzgelegenheiten gibt. Mehr permanente Bänkli führen zu einer längeren Aufenthaltszeit der PassantInnen, was den Altstadtgeschäften nur nützen kann. Auch Restaurants sollen ihre Tische und Stühle noch viel mehr auf die Gassen und Plätze hinaus stellen dürfen, ohne (in einer Fussgängerzone!) auf Autos Rücksicht nehmen zu müssen.

Die Stadt muss farbig sein. Regeln, welche die Farbgebung von Sonnenschirmen und Gebäuden vorschreiben, gehören abgeschafft. Wenn jemand Graffiti-KünstlerInnen für die Gestaltung seiner Fassade engagieren will, muss er das dürfen – schliesslich wurde die Bemalung des Hauses auch nicht von einer Stadtbildverordnung verboten.

Die «Attraktivierung» des Rheinufers wurde uns als grosses und innovatives Projekt verkauft. Was tatsächlich geschieht, ist aber immer das absolute Minimum. Schluss damit, mehr Mut! Das grösste Potenzial bietet der Kammgarnhof: Die Parkplätze können ersatzlos einem begrünten Stadtpark weichen, mit Zugang zum Rhein und zu einer Sitztreppe, wie beispielsweise in Basel, sowie einer Fussgängerbrücke zum gegenüberliegenden Ufer.

Was das Einkaufsangebot in der Altstadt angeht, sind sich die meisten EinwohnerInnen einig: Es gibt genug Niederlassungen von grossen Ketten, die auf der ganzen Welt das Gleiche verkaufen. Mit der Bewirtschaftung ihrer eigenen Liegenschaften kann die Stadt auf den Ladenmix Einfluss nehmen. Weitere Liegenschaften der Stadt können freigespielt werden, denn die Verwaltung gehört bis auf wenige Büros und einen zentralen Schalter nicht ins Zentrum, sondern in die Peripherie. In den freiwerdenden Gebäuden kann die Stadt jeweils unten Geschäfte ansiedeln, die zur Ladenvielfalt beitragen, und in den oberen Stockwerken bezahlbaren Wohnraum schaffen. À propos Wohnraum: Eine städtische Kontaktstelle könnte bestehende und noch zu gründende Wohnbaugenossenschaften unterstützen und beraten, eine stadteigene Stiftung für gemeinnützigen Wohnraum den Genossenschaften die Verwaltungsarbeit abnehmen.

Bildung

Die Bildung wird derzeit an mehreren Fronten vom Rudel der Sparfüchse bedroht. Der grösste Standortnachteil Schaffhausens ist für junge Paare aber der Mangel an familienergänzender Kinderbetreuung. Tagesstrukturen müssen her, und zwar lieber gestern als am Sankt-Nimmerleins-Tag. Die versprochene Vorlage aus dem Erziehungsdepartement muss mutig (und teuer) ausfallen und darf nicht dem Spardruck oder einem konservativ-idyllischen Familienbild, das nie wirklich der Realität entsprochen hat, geopfert werden.