Medienmitteilung des Lappi zur Vereiteltung des Öffentlichkeitsprinzips: Beschwerde gegen Kantonsrat Schaffhausen vor Obergericht eingereicht.
Amtliche Akten unterstehen in Schaffhausen seit 2003 dem Öffentlichkeitsprinzip. Und stünden somit eigentlich allen Interessierten unkompliziert zur Einsicht offen. Die gelebte Praxis verharrt indes noch oft in Geheimhaltung. Mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Kantonsrat wehren sich nun zwei Bürger gegen die prohibitive Art der Einsichtnahme.
Im vergangenen Herbst haben Mattias Greuter und Claudio Kuster unabhängig voneinander Einsichtsgesuche in Protokolle von kantonsrätlichen Kommissionen gestellt. Greuter interessierte sich für die Hintergründe der Revision des Spitalgesetzes, die die Gesundheitskommission vorberiet und einige umstrittene Fragen unbeantwortet liess. Derweil wünschte Kuster Einsicht in diverse Kommissionprotokolle der letzten Jahre, welche die «Reorganisation des Kantons Schaffhausen (Strukturreform)» betrafen. Letzterer wehrte sich bereits 2014 erfolgreich vor Bundesgericht gegen eine illegale Abstimmungsvorlage ebendieser Kommission.
Das allgemeine Einsichtsrecht in staatliche Akten wurde im Kanton Schaffhausen mit der «neuen» Kantonsverfassung 2003 eingeführt. Seither gilt nicht mehr das Geheimhaltungsprinzip, sondern grundsätzlich das Öffentlichkeitsprinzip. Jedem Bürger muss daher Einsicht in behördliche Akten gewährt werden, ausser es stehen öffentliche oder private Schutzinteressen dagegen. Es ist unbestritten, dass seither auch die Kommissionsprotokolle öffentlich sind. Dennoch hat das Büro des Kantonsrats die beiden Einsichtsgesuche Greuters und Kusters abgelehnt.
Zum einen behauptet das Büro, Protokolle dürften erst nach einer etwaigen Volksabstimmung eingesehen werden. Doch diese Abwehrhaltung ist offensichtlich widerrechtlich, schreibt doch das Kantonsratsgesetz vor: «In Kommissionsprotokolle wird erst nach Erledigung eines Geschäfts Einsicht gewährt.» Mit der «Erledigung» ist der Abschluss der entsprechenden Kommissionsberatungen gemeint, wie die damaligen Materialen und Kommissionsprotokolle von 2003/04 darlegen. Man wollte damit garantieren, dass zwar die Kommissionsberatungen weiterhin im vertraulichen Rahmen abgehalten werden können. Sobald eine Vorlage jedoch ans Kantonsratsplenum überwiesen wird, sollen – so der Wille des (Öffentlichkeits-)Gesetzgebers – die Protokolle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Der zweite Grund der Ablehnung ist noch weitreichender: Die Einsichtnahme in die Papiere dürfe nur vor Ort in den Amtsstuben gewährt werden; dabei sei es verboten, Kopien, Fotografien oder Scans zu tätigen. Die Protokolle, die durchaus als handliche PDF-Dateien vorliegen würden, werden daher auch nicht per E-Mail zugestellt. Diese restriktive Art der Einsicht widerspricht indes der Grundidee des Öffentlichkeitsprinzip: einer bürgernahen und unkomplizierten Beziehung zwischen Staat und Bürger. Hält man sich weiter vor Augen, dass solche Kommissionen mitunter ein halbes Dutzend Sitzungen abhalten und die Dokumente somit hunderte Seiten umfassen können, so verkommt der Öffentlichkeitsgrundsatz durch dieses Prozedere de facto wieder zum Geheimhaltungsprinzip.
Die zwei Vorlagen wurden am 28. Februar zwar vom Souverän entschieden. Die Gesuchsteller Greuter und Kuster haben den Negativentscheid des Kantonsratsbüros jedoch mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht weitergezogen. Denn das vereitelte Einsichtsrecht wird sich unter ähnlichen Umständen ohnehin bald wieder stellen, womit dieser Präzedenzfall von einem Gericht zu beurteilen sei. Dies zumal gerade die prohibitive Art der Einsicht (nur vor Ort, Verbot von Kopien) nicht nur Kommissionsprotokolle betrifft, sondern jegliche Akten, die schlechterdings Journalisten und Bürger überhaupt einsehen könnten (so etwa Berichte, Gutachten, Beschlüsse, Protokolle, Leistungsvereinbarungen, Gesetzesvorlagen, Verträge, Korrespondenz, Pläne usw.).
Dieser Tage hat der Kantonsrat seine Stellungnahme zur Beschwerde abgegeben. Erstaunlicherweise beantragt er ein Nichteintreten aus formellen Gründen: Die Rügen der Beschwerdeführer seien nun, nach der Volksabstimmung, obsolet. Man könne derzeit durchaus im Ratsbüro in jene Protokolle Einsicht nehmen. – Wie erwähnt halten die Beschwerdeführer indes selbstverständlich das Verfahren aufrecht.
Die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer werden freundlicherweise vom Schaffhauser Presseverein sowie vom Magazin «Lappi tue d’Augen uf» finanziell unterstützt.
Claudio Kuster, politischer Sekretär & Mattias Greuter, Redaktor «schaffhauser az» und «Lappi tue d’Augen uf»