Farmerstengel und Pferdeäpfel

Brustpanzer sind erlaubt, schwarze Stiefel zu rotem Jackett ein Fauxpas. Der Lappi trabt an zum Dressurreiten in Kaiseraugst.

An einem geradezu brütenden Frühlingsnachmittag besucht das Lappi-Team die Dressurreiten-Prüfung für Einsteiger (entweder Pferd oder Reiterin ohne Wettkampferfahrung) «Programm GA 01/40» und «Programm GA 03/40» auf dem Linerhof in Kaiseraugst. Kaum haben wir uns, vorbei an baulichen Relikten aus der Römerzeit und den 60er-Jahren, vom Bahnhof entfernt, bestätigt uns die zunehmende Dichte an Pferden und Offroadern, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Bald unterhalten wir uns in der Festbeiz mit einem Bärtigen. Wir fragen ihn nach dem Weg zum Dressurreiten und finden am eigentlichen Schauplatz der Veranstaltung einen Platz auf den fast leeren Rängen der Reithalle. Letzteres führen wir darauf zurück, dass alle Reiterinnen dasselbe Programm vorführen. Aus dem Speaker schallt es: «Als nächstes sehen wir Christine Huber auf ihrem zwölfjährigen Freiberger Wallach Don Camillo.»

Mit dieser Information wissen wir wenig anzufangen. Wir konsuliteren die Startliste und finden wenigstens heraus, welcher Name zum Pferd gehört: Startnummer 18, Don Camillo VIII. Die römische Zahl scheint Verwechslungen vorzubeugen, entweder gibt es andere Pferde mit dem gleichen Namen, oder dieser Don Camillo ist der Sohn von Don Camillo VII.

Wir treffen auf einige junge Reitschülerinnen, angeführt von ihrer Reitlehrerin. Sie heisst Mirjam Stemmler und stammt, wie sich herausstellt, aus Schaffhausen – und ist eine Enkelin von Carl Stemmler, dem Begründer des Stemmler-Museums. Sie bemerkt natürlich sofort, dass wir keine Ahnung haben und erklärt uns geduldig die Finessen des Dressurreitens. Genauer gesagt macht sie uns und ihre Schülerinnen auf Fehler von Ross und Reiter aufmerksam: «Siehst du, die Nase des Pferdes sollte eine senkrechte Linie bilden. Das macht es gar nicht schlecht, aber es zappelt etwas mit dem rechten Hinterlauf.»

Sie zeigt uns die Bewertungstabelle, die mehrere Seiten umfasst. Alles wird von den Punktrichtern genau beäugt, auch das Tenue: «Diese Reiterin trägt ein weinrotes Jackett. Wenn man es ganz genau nehmen würde, müsste sie dazu weinrote und nicht schwarze Stiefel tragen. Es gibt halt viele Regeln, manche sind sinnvoll, andere weniger», gibt sie zu. Wir fragen nach, wie es mit der Helmfrage steht. Denn manche Reiterinnen tragen zu Reitstiefeln, weisser Hose und Jackett einen Zylinder, andere einen stilistisch unpassenden, modernen Helm. «Das ist erlaubt, wegen der Sicherheit», erklärt uns die Lehrerin. «Auch Brustpanzer sind erlaubt, auch wenn es nicht schön aussieht.» Und belustigt zu ihren Schülerinnen: «Da hat letztes Jahr doch eine den Panzer unter dem Jackett getragen!»

So lernen wir dazu – ein Wallach ist ein kastrierter Hengst – und beginnen zu verstehen, worum es geht. «Das muss für Laien ja furchtbar langweilig sein!», ruft Mirjam aus. Sie hätte Recht, wären da nicht ihre fachkundigen Erläuterungen des Verhaltens der Reiterinnen und ihrer Pferde.

«Sie können problemlos auch vom Reiter gegessen werden», ruft eine der Schülerinnen. Enttäuscht stellen wir fest, dass sie nicht von den Pferden spricht, sondern einen Vermerk auf der Verpackung der «Rossguetzli» gefunden hat, die als Spende des Hauptsponsoren auf allen Tischen verteilt sind. Wir bleiben also vegetarisch und kosten. Die Guetzli sehen nicht nur wie überdimensionale Farmerstengel aus, sondern schmecken auch so und sind mindestens genau so hart.

Nachdem auch der letzte kastrierte Hengst seine Reiterin geduldig und stilvoll durch das Sägemehl getragen hat, warten wir in der Festbeiz gespannt auf Rangverkündigung und Preisverleihung, denn inzwischen hat jemand – wir haben den Bärtigen in Verdacht – die Preise wie bei einer Tombola auf einem Tisch aufgereiht. Der Sprecher bittet die Reiterinnen, ihre Preise «in vollständigem Tenue» entgegenzunehmen, denn «das sind wir den Sponsoren und auch unseren Zuschauern schuldig.» Der Tag endet mit einem Schaffhauser Triumph: Mirjam Stemmler landet auf der ersten Rang, obwohl sie, weil sie bereits Wettkampfpunkte auf dem Konto hatte, auf einem Pferd ohne Wettkapferfahrung antreten musste.

Ihre Preise: Eine Satteldecke, gestiftet von einem Sponsor, eine Zweierpackung Pferdeguetzli, ein üppiger Blumenstrauss und die Siegesplakette. Jede Teilnehmerin erhält eine Plakette, doch nur auf denjenigen der ersten Drei ist der Rang vermerkt. Üblicherweise schmückt man damit den Stall, doch das findet Mirjam lächerlich. Die Rangliste hingegen wird durchaus ernst genommen: Eine der Reitschülerinnen ist in Tränen ausgebrochen, weil sie von den Punktrichterinnen unfair benotet worden sei: Eine der zwei Richterinnen hat ihr so wenige Punkte gegeben, dass es nicht auf das Podest gereicht hat, obwohl die andere Richterin ihr sogar mehr Punkte gab als der Siegerin. Diese schenkt ihr zum Trost die Siegerplakette, die sie ja – zumindest in den Augen von einer der Punktrichterinnen – auch redlich verdient hat.