Der silberne Schuh passt

Ein Spektakel mit Glanz und ­Glamour: Der Lappi war an der wichtigsten Misswahl Mostindiens.

Das Riesenrad weist schon beim Bahnhof darauf hin, dass heute ein grosses und unvergessliches Ereignis ansteht. Vor uns drängen sich tausende Leute die Strasse hinauf, zur Hauptbühne, wo sich bald schöne Frauen dem Publikum präsentieren werden. Glamour versprühen nicht nur der Pelzverkäufer an der Ecke, sondern auch die Auslagen der Verkaufsstände, an denen Leckereien angeboten werden. Weinfelden steht ganz im Zeichen der Apfelkönigin.

Während die nationalen Miss-Wahlen in diesem Jahr ganz ins Wasser fielen, nieselt es in der Thurgauer Zentrumsgemeinde nur leicht. Die Gala-Kleider sind deshalb wohl zuhause geblieben. Die Stimmung ist trotzdem gut, nicht nur wegen der musizierenden Indianer am Strassenrand und dem holländischen Blumenverkäufer.

Gastronomie

Eine besonders aufregendes Gaumenerlebnis ist etwas abseits des Hauptgeschehens zu finden. In der Nähe der Halle mit der Themenschau «Bauen und Wohnen» steht das Lokal, das wir unsern LeserInnen gerne empfehlen wollen. Der KEBAB-DÜRÜM-HAMBURGER-VERKÄUFER besticht neben einem besonders prägnanten Fleisch-Geruch auch durch das südländische Ambiente mit sonnenverwöhnten Plastikschildern.

Für die FreundInnen der währschaften Küche ist der WURSTSTAND ein Besuch Wert. Der Stand in elegant asketischem Design beeindruckt schon von weitem. Regionales Naturholz und ein luftiges Interieur versetzen die Gäste sofort in eine Stimmung, die in einer puritanischen Alphütte ohne Strom und Wasser (abgesehen vom Regen) nicht besser sein könnte.

Auf der Zuschauertribüne ist schon eine halbe Stunde vor Beginn der Wahl kein Platz mehr zu finden. Auf der Bühne heizen die Rock- und Countrystars «The Dinosaurs», Vater Wolf und Sohn Andi Räbsamen, dem Publikum ein. Dass Bühne und Zuschauertribüne nicht parallel aufgebaut sind, verzeiht man den Veranstalterinnen und Veranstaltern – dafür ist nun Coiffeur Pierre besser im Blickfeld.

Dann geht es los. Die Bühne wird umgebaut. Das Staff stellt Werbetafeln der  Sponsoren auf, die die anstehende Show ermöglichen. Sie sind unentschlossen: Soll der Apfelchampagner Jean-Georges oder doch das Apfelmüsli in die Mitte? Dann erschallt Fanfaren-Sound aus den Lautsprechern, wie wir ihn von der Champions League kennen, und die ModeratorInnen Reto Scherrer und Corinne Straub betreten die Bühne. Nochmals fallen klingende Sponsorennamen wie Agromarketing Thurgau, Mosterei Möhl und Tobi Seeobst AG, die auch die Jurymitglieder stellen.

Dann endlich die Kandidatinnen. Angelika fände es «super», wenn sie «den Thurgau repräsentieren» dürfte. Daniela muss sich einen neuen Freund aus dem Publikum aussuchen, Jasmin war beim Coiffeur, aber man sieht’s nicht. Larissa pilgerte als Mormonin nach Salt Lake City, Nadja A. wird von einem Fanclub mit pinken Perücken begleitet, Nadja E. ist schon fünfmal umgezogen. Sereina tanzt Zumba und Sandra ist Masseurin.

Nur knapp ohne Tränen zu vergiessen, verabschiedet sich die bisherige Miss vom Rampenlicht der Apéros, Firmen- und Dorffeste. «Ich habe super Erfahrungen gemacht und viele Leute kennengelernt», meint sie. «Es wäre schön, wenn man mich als Apfelkönigin nicht gleich vergessen würde.» Es wird geklatscht.

Die illustre Jury braucht länger als geplant für die Auswahl der drei Finalistinnen. Es geht noch eine Weile, der Regen verschluckt das angespannte Murmeln des Publikums und das Herumtrippeln von Scherrer. «Es kann ja nicht so schwierig sein, drei aus acht Kandidatinnen auszuwählen», sagt er ins Mikrofon. «Nein, bitte nicht mehr rauchen, wir müssen weitermachen.» Die Moderatorin Corinne erscheint auf der Bühne, zusammen mit einer der Kandidatinnen. Auf Nachfrage erklärt sie, dass die andern noch auf der Toilette sind oder etwas trinken. Dann sind die acht endlich versammelt, die Fanfare ertönt und die Jury gibt bekannt, wer weiterkommt.

Noch einmal dürfen sich die jungen Schönheiten Angelika Maier, Nadja Anderes und Sandra Burgermeister den Fragen von Moderator Scherrer stellen. Wir beginnen, die Kandidatinnen richtig kennenzulernen: Angelika hat Schuhgrösse 38.5, Sandra 37.5 und Nadja 39. «Es ist genial, dieses Feeling auf der Bühne», sagt Nadja. Sie will Energie, Kraft und Farbe verkörpern. Angelika erzählt von ihrem Sprachaufenthalt und Sandra von ihrem Roadtrip mit «den Weibern». Die Jury zieht sich nochmals zurück, kommt diesmal aber schneller wieder.

Shopping

Für den exquisiten Kleidungsgeschmack gibt es nur eine Adresse: Der PELZSTAND AN DER DORFSTRASSE. Der Laden ist für alle, die mit der neuesten Pelzmode in braun, weiss oder schwarz gehen wollen, ein absolutes Muss.

Scherrer hält silberne Turnschuhe in der Hand, nur eines der Sponsoren-Geschenke für die Apfel-Miss. «Wer bekommt diese Turnschuhe Grösse 39», sagt Scherrer. Das Publikum kombiniert nur sehr langsam und wartet weiterhin gespannt auf die Verkündung des Namens. Die Fanfare erklingt ein letztes Mal und endlich wird die Siegerin bekannt gegeben: Nadja Anderes, Schuhgrösse 39, die Lokalmatadorin aus Weinfelden. Sie reckt die geballte Faust in die Höhe, den Blumenstrauss in der Hand. Natürlich folgen Umarmungen und Gratulationen. Im Hintergrund blinken die Kameras, im Vordergrund blitzen die blankpolierten Äpfel, die vor der Bühne aufgereiht sind. Scherrer tröstet noch eine der beiden anderen Kandidatinnen: «Jetzt hast Du den ganzen Seich nicht, den Du als Gewinnerin am Hals gehabt hättest.»