Ein altes Anliegen neu verpackt

Die Juso lanciert eine Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum. Das gleiche Anliegen brachte vor zwanzig Jahren das Grüne Bündnis vor – allerdings nur mit kurzzeitigem Erfolg.

Die Debatte um Wohnraum wird nicht nur die MieterInnen beschäftigen, auch die PolitikerInnen werden sich in diesem Jahr noch mehrmals mit Wohnraumpolitik auseinandersetzen müssen. Für die bürgerlichen Parteien steht der Verkauf der Häuser und Grundstücke, die sich noch im Besitz des Kantons oder der Gemeinden befinden, im Vordergrund.

Doch bei den Diskussionen über Verkäufe bleibt es nicht: Die Juso hat die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum auf das Parkett gebracht. Mit einer Volksinitiative will sie in der Stadt Schaffhausen «die Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum» fördern. Mittlerweile sind rund 400 von 600 benötigten Unterschriften zusammengekommen.

Die Stadt Schaffhausen soll laut Initiative 200 neue Wohnungen erstellen. Und diese – neu zudem auch die bisherigen 100 Wohnungen im Besitz der Stadt – vermieten, ohne einen Gewinn erzielen zu wollen. Nur schon die Absicht der Stadt, selbst neue Wohnungen zu erstellen, könnte Zeichen genug sein, um den Preisdruck in den nächsten Jahren nach der Einführung des Halbstundentakts zu lindern.

«Wir wurden auf den tiefen Leerwohnungsbestand aufmerksam», sagt Casimir Fürer, der die Ausarbeitung der Juso-Initiative geleitet hat. «Gerade junge Leute, die eine WG gründen wollen, haben es schwer. Da mussten wir etwas unternehmen.» Preisgünstiger Wohnraum mache die Stadt attraktiver und garantiere, dass eine soziale Durchmischung stattfinde. «Die Stadt soll von allen und nicht nur von Gutverdienenden bewohnt werden.»

Zweihundert neue Wohnungen

Es ist nicht das erste Mal, dass in Schaffhausen eine Initiative lanciert wurde, um preiswerten Wohnraum zu schaffen oder zu erhalten. Bis 1998 galt im Kanton Schaffhausen das «Gesetz für die Erhaltung von Wohnraum im Kanton Schaffhausen». Dieses ging inhaltlich weiter als die Initiative der Juso, die nur eine neue Verordnung und kein Gesetz fordert.

Den Anstoss für das Gesetz, das 1990 in Kraft trat, gab das Grüne Bündnis Schaffhausen, bei dem auch Marianne Wildberger mitwirkte. «Immer mehr Altstadtwohnungen wurden in den 80er Jahren totalsaniert und massiv teurer, so dass in der Altstadt eine ziemliche Wohnungsnot herrschte», erzählt die damalige Grosstadträtin dem Lappi. «Ausserdem standen gerade einige grössere Projekte an, die gewachsene Strukturen und Kulturen zerstörten: Sieben Häuser wurden für die Migros an der Vorstadt umgebaut und zum Teil abgerissen.»

Schwarze Fahnen und besetzte Häuser

Die GrüBü-Initiative hatte Erfolg. «Wir hatten damals viele gefährdete Häuser in der Altstadt schwarz beflaggt und so relativ viel Öffentlichkeit erreicht. Eine kurze Zeit lang besetzten wir die Migros-Häuser und veranstalteten mehrere öffentliche ‹Sonntagszmorge uf de Gass›», sagt sie. Durch die sichtbare Zerstörung und Entwicklung teurer Sanierungen und die starke öffentliche Präsenz sei die Akzeptanz für ihren Vorstoss gross gewesen.

Das Gesetz forderte unter anderem eine Bewilligung, wenn HauseigentümerInnen eine Liegenschaft mit Wohnungen abbrechen, umbauen oder den Zweck der Nutzung ändern wollten. Zusätzlich mit dem Abschnitt «jeder Eigentümer von Wohnraum ist verpflichtet, diesen jederzeit so zu unterhalten, dass er bewohnbar ist» sollte gesichert werden, dass weder Häuser verlottert noch überteuert saniert werden könnten.

Das Gesetz hielt allerdings nicht lange. Bereits acht Jahre, nachdem es an der Urne angenommen wurde, wurde es von der Stimmbevölkerung wieder abgeschafft. Dass die Bürgerlichen das Gesetz weg haben wollten, zeigte sich 1996 in einem SN-Artikel des heutigen SVP-Ständerats Hannes Germann und des damaligen SN-Redaktors Urs Leu deutlich. Die Zwischentitel des Artikels lauteten «Voller ‹Gummiparagraphen›», «Bürokratisch und wenig wirksam», «Zwei bis drei Gesuche abgelehnt», «Fünf Jahre, eine Einwendung», «‹Gesetz hat nichts gebracht›», «Mietzinskontrolle fragwürdig», «Leicht zu umgehen», «Viel Aufwand, wenig GEW-Fälle», «Kaum Wirkung in Gemeinden» und «GEW gehört weg». Den Artikel braucht man da nicht mehr zu lesen. Die Initiative sei damals «mit Zufallsmehr angenommen» worden, 16’289 Personen stimmten mit Ja, 14’994 mit Nein.

«Die Stadt ist in der Verantwortung»

Für die Juso-Initiative sieht Wildberger gute Chancen. «Ja, ich bin optimistisch», sagt sie. «Es ist grundsätzlich noch oder wieder das gleiche Problem, wenn man nicht verschärft gegen Spekulation vorgeht.» Bei der Juso-Initiative sind allerdings nicht alle HausbesitzerInnen im Kanton, sondern nur die Stadt Schaffhausen in der Verantwortung. «Wir hatten uns schon überlegt, alle in die Verantwortung zu ziehen», so Fürer. Experten hätten ihnen aber davon abgeraten, weil die Forderung juristisch schwierig zu formulieren gewesen wäre.

Wo die Stadt die 200 Wohnungen schaffen könnte, ist offen. Sie könnte beispielsweise die Verwaltung zentralisiert aus der Altstadt auslagern und die frei werdenden Gebäude für Wohnraum nutzen.

Casimir Fürer sieht aber einen anderen Vorteil. «Die Stadt kann mit ihren Aktivitäten im Immobilien­markt Einfluss auf den Preiswettbewerb nehmen. Sie muss den Wohnungsmarkt regulieren können, denn sie ist in der Verantwortung.»

Die Stadt könnte sich – auch wenn an der Urne der politische Entscheid gefällt wurde – immer noch aus ihrer Verantwortung stehlen, wenn sie zwar neue Wohnungen erstellt, dafür aber ihre Häuser mit bestehenden Wohnungen verkauft. Deutlich mehr Wohnungen gäbe es dann nicht, aber sie wären immerhin günstig.

Eines wird aber bestimmt kommen: Die Diskussion um die Kosten. «Wir wollen deshalb ja, dass der Fonds für die Wohnraumentwicklung geschaffen wird, in den das Geld aus Landverkäufen einfliesst», sagt Fürer. «Damit wäre die finanzielle Grundlage gegeben.»

Wo genau die neuen Wohnungen entstehen könnten, da gibt es noch keine konkreten Vorschläge. «Wir haben aber einige Grundstücke ins Auge gefasst», so Fürer. «Wenn es soweit ist, werden wir Vorschläge bringen.»