Neger ≠ Neger

Historique

Fragte man heute einen Schüler, was er zu berichten weiss über die Neger, fiele ihm wohl nicht viel mehr ein, als die Differenz in der Hautfarbe. Offensichtlich lernt der Schweizer Bub in der Schule nichts mehr über die Andersartigkeit der dunklen Rasse. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass sein Banknachbar ein Abkömmling eines afrikanischen Buschbewohners ist, heute viel höher als noch vor 20 Jahren, als – wie aus sicherer Quelle zu erfahren ist – im Bachschulhaus noch die Lehre vom Aussehen der Neger gelehrt wurde.

Gewiss, das passt ins Bild, das wir von der Schule heute haben: Allerlei (Schul-)Versuche und neumodische Lehr- und Lernmethoden verdrängen die klassische Bildung. Dabei wäre es doch gerade für das Verhältnis des Schweizer Bubs zu seinem Banknachbarn mit dem «starken Kiefer» und den «wulstigen Lippen», die «das Gesicht unschön erscheinen lassen» von eminenter Wichtigkeit, wenn ihm verständlich gemacht würde, dass der mit «der platten Nase» und dem «kräftigen Körperbau» es einfach nicht «über einen gewissen Stand der geistigen Entwicklung […] hinaus [bringen kann]».

In Zeiten globaler Migration kann man von der Schule verlangen, dass im Unterricht Lehrmittel eingesetzt werden, welche die möglichen Unterschiede in der Herkunft der Schüler genauer beleuchten. Neger beispielsweise ist nämlich nicht gleich Neger: Es gibt zum einen den «Australneger. Er steht auf sehr niedriger Stufe». Und innerhalb Afrikas unterscheidet man die Küstenbewohner von den Buschmännern. Letztere «sind die niedrigst stehenden Menschen. In ihrem Aussehen und Wesen gleichen sie fast tierischen Geschöpfen.»

Wie will ein heutiger Schüler sein eigenes Wertesystem entwickeln und die Positionen darin besetzen können, wenn die Schule kläglich darin versagt, ihm das dafür nötige Wissen mit auf den Weg zu geben? Was frühere Lehrmittel noch vermochten, wird heute bewusst vernachlässigt. Dies im Sinne einer übertriebenen Political Correctness.

Noch aber ist nicht aller Tage Abend. Die einst ausgebrachte Saat trägt noch immer Früchte: Das Gebaren von Schweizer Bürgern und das damit einhergehende Abstimmungsverhalten lassen sich dahingehend interpretieren, dass zum Glück noch weite Bevölkerungskreise von dem Wissen zehren, das früher vermittelt wurde.

Das Lesebuch für die Oberklassen, bearbeitet von der thurgauischen Lehrmittelkommission, erschien kurz nach dem Ersten Weltkrieg.  Es ist antiquarisch erhältlich – ansonsten im Bachschulhaus nach Restbeständen des Schaffhauser Pendants fragen.