Die neu gegründete Autonome Schule Schaffhausen will Treffpunkt und Anlaufstelle für Sans-Papiers sein. Der Weg dahin ist umstritten.
Kennen Sie einen Sans-Papier? Nein? Da sind Sie kein Einzelfall. Menschen, die in der Schweiz keine Aufenthaltsberechtigung haben, leben am Rande unserer Gesellschaft und treten mit dieser kaum in Kontakt. Sie haben keinen Anspruch auf Dienstleistungen. Selbst die Migrantinnen-Deutschkurse der Schweizerischen Arbeiterhilfswerks SAH sind für Sans-Papiers tabu.
Die Autonome Schule Schaffhausen ASS, aus dem Dunstkreis der AL entstanden, will dem entgegenwirken und Strukturen schaffen für Menschen, die sich von Rechts wegen illegal in der Schweiz aufhalten. Der eine Pfeiler der ASS soll ein Treffpunkt sein, wo Sans-Papiers zusammenkommen, ihre Bedürfnisse besprechen und zusammen mit den ASS-AktivistInnen nach Lösungen suchen. Noch ist dieser Treffpunkt Zukunftsmusik. Ganz im Gegensatz zum zweiten Pfeiler, dem Deutschunterricht.
Auf Augenhöhe begegnen
Ab dem 25. Januar wird im Gewerkschaftshaus an der Bachstrasse wöchentlich Deutschunterricht für Sans-Papiers angeboten. «Noch ist das Programm schwammig», sagt Nico Brauchli, einer der Initianten und Lehrer der ASS. Nach dem Einstufungstest am ersten Schultag werden Klassen gebildet. Die fünf ehrenamtlichen LehrerInnen – die meisten ohne Lehrdiplom, jedoch mit pädagogischer Erfahrung im Migrationsbereich – zeigen sich zuversichtlich, dass die Nachfrage gross sein wird. Am Informationstag Mitte Januar haben sich bereits sieben Sans-Papiers für den Unterricht eingeschrieben. Ein Mann hat bereits gefragt, ob er öfters als einmal pro Woche kommen könne. Eine Frau hat angekündigt, am ersten Schultag ihre vier Freundinnen mitzubringen. Mit dem Angebot scheint die ASS den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben.
«Angebot», genau hier liegt das grösste Problem der Alternativen Schule, findet ASS-Präsident Christian Erne. Man baue Strukturen auf, bevor man wisse, was überhaupt gefragt ist. «Eigentlich wollten wir mit den Sans-Papiers zusammen ein Programm erarbeiten. Die Philosophie sollte sein: Man begegnet sich auf Augenhöhe, und daraus entstehen Strukturen», sagt Erne. Die Autonome Schule Luzern beispielsweise entstand aus einer interkulturellen Kochgruppe heraus.
In Schaffhausen waren die Vorzeichen anders. Es gab nichts, keinen Austausch, kein Miteinander. Beim Planungs-Workshop war kein einziger Sans-Papier dabei. So gut es die Aktivisten meinen, es bleibt ein karitativer Beigeschmack à la «jetzt helfen wir diesen armen Flüchtlingen», findet Erne. Dabei solle es nicht in erster Linie ums Helfen gehen, sondern um Kommunismus, um soziale Gleichheit.
Nico Brauchli erwehrt sich dieser Kritik: «Wir können nur mit den Sans-Papiers zusammen Strukturen erarbeiten, wenn wir miteinander in Kontakt sind. Und das waren wir bisher nicht. Wir müssen zuerst ein Minimum an Strukturen schaffen.» Spricht sich der Deutschkurs so herum, wie man erwarten kann, ist zumindest der Kontakt hergestellt.