Bürger ≠ Bürger

Andi Kunz, Grossstadtrat der Alternativen Liste, fordert das Stimmrecht für AusländerInnen und hat die entsprechende Initiative der AL, die gerade gesammelt wird, angestossen.

Samuel Erb, Vizepräsident SVP Kanton Schaffhausen, will das Ausländerstimmrecht um jeden Preis verhindern. Die Multikulturalität in der Schweiz ist für ihn ein Problem.

Andi Kunz, Sie fordern mit Ihrer Partei, der AL, mittels Volksinitiative die Einführung des Ausländerstimmrechts. Hoffen Sie darauf, dass AusländerInnen SP und AL wählen?

Nein, damit rechne ich nicht. Die Erfahrungen in den acht Kantonen, die ein Ausländerstimmrecht kennen, zeigen, dass es zu keiner Verschiebung der politischen Gewichte kam.

Könnte es in der Ausländer- und Asylpolitik eine Verschiebung geben?

Ja, vielleicht; aber womöglich nicht in unserem Interesse. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Personen mit Mi­grationshintergrund in ausländerpolitischen Fragen und gegenüber Asylsuchenden häufig eine kritische, restrik­tive Haltung vertreten.

Wenn sich die politische Balance nicht verschieben würde, heisst das doch, dass die AusländerInnen auch ohne Stimmrecht gut repräsentiert sind.

Die Schweiz hat ein grundlegendes Demokratieproblem: Die Legitimation von politischen Entscheidungen ist ziemlich schwach in Anbetracht der Tatsache, dass nur 40 bis 50 Prozent der Stimmberechtigten an den Entscheidungen überhaupt teilnehmen. Ich finde: Je mehr Leute teilnehmen, desto stärker ist die Demokratie.

Sie haben die Stimmbeteiligung angesprochen. In Schaffhausen ist sie immer relativ hoch, weil es einen Stimmzwang gibt. Mit einem Recht, das eigentlich ein Zwang ist, machen Sie AusländerInnen, die nicht politisch interessiert sind, keinen Gefallen.

Ich persönlich bin nicht sehr glücklich über diesen Zwang, die Abstimmungsbusse von drei Franken. Ich finde, die politische Partizipation sollte ein Recht sein, und wer dieses nicht wahrnehmen will, sollte nicht dafür bestraft werden. Aber das spricht nicht für oder gegen das Ausländerstimmrecht. Ich kenne viele Ausländerinnen und Ausländer, die das Stimmrecht nutzen und wertschätzen würden. Ich habe noch von niemandem gehört: Nein, da bin ich dagegen, weil ich drei Franken zahlen müsste, wenn ich nicht abstimmen gehe.

Vor kurzem wurde die Einbürgerung vereinfacht und vergünstigt. Warum reicht das nicht?

Das Bürgerrechtsgesetz wird gegenwärtig verschärft. Zudem verstehe ich nicht, warum das Stimmrecht an das Bürgerrecht gekoppelt sein muss. Das ausschlaggebende Kriterium, damit jemand mitentscheiden darf, sollte die Betroffenheit sein.

Dann sind Sie konsequenterweise gegen das Stimmrecht für AuslandschweizerInnen?

Ja, ich bin zumindest kein Freund davon. Ich verstehe nicht, warum Leute, die nicht hier wohnen, über die Geschicke der Schweiz abstimmen können, nur weil sie einen Schweizer Pass haben. Andererseits stört es mich auch nicht besonders, es geht ja um eine vergleichsweise kleine Anzahl Personen. Ich störe mich viel mehr daran, dass über 20 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz von der politischen Partizipation ausgeschlossen sind.

Sie vertreten die Ansicht, das Stimmrecht würde die Integration fördern. Sollte es nicht umgekehrt so sein, dass man für die Integration belohnt wird – beispielsweise mit dem Pass und dem Stimmrecht?

Das ist eine merkwürdige Vorstellung. Integration ist ein Prozess, der nie zu einem Abschluss kommt. Zu sagen: Jetzt ist jemand integriert, nun belohnen wir ihn mit dem Stimmrecht, ist willkürlich. Das Stimmrecht soll ein Instrument sein, um Personen bei ihren Integrationsbemühungen zu unterstützen, keine Belohnung. Wir sollten vielmehr ein Eigeninteresse daran haben, alle Betroffenen an den Entscheidungen teilhaben zu lassen.

Die Forderungen der Initiative sind radikal, im linken Kanton Basel Stadt ist eine moderatere Vorlage an der Urne gescheitert. Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Wir dürfen uns nichts vormachen: Wir werden die Initiative im ersten Anlauf nicht durchbringen. Beim Unterschriftensammeln auf der Strasse überwiegen jedoch die positiven Rückmeldungen. Wir haben eine Initiative lanciert, hinter der wir voll und ganz stehen können und keine «weichgespülte», die an der Urne vielleicht ein paar Prozente mehr erreichen könnte. Wer hier wohnt und Steuern zahlt, soll auch ein vollwertiges politisches Mitglied der Gesellschaft sein.

Die SVP fordert von AusländerInnen, dass Sie sich integrieren sollen. Wäre das Stimmrecht, also die Beteiligung am politischen Leben, für die Integration nicht sinnvoll?

Nein, Integration ist etwas ganz anderes. Man kann sich einbürgern lassen, wenn man mitbestimmen will. Das Stimmrecht für Ausländer ist ein Schritt, mit dem die Einbürgerung umgangen werden soll. Integration ist ja gut und recht, aber nicht, wenn das alles der Staat übernehmen muss. Die Einbürgerung ist der Abschluss einer erfolgreichen Integration und nicht, wie die Linken laufend fordern, Bestandteil davon.

Die Ausländer sind Teil der Gesellschaft. Sie arbeiten, zahlen Steuern und erfüllen weitere gesellschaftliche Pflichten. Ist es nicht Rosinenpickerei, wenn man ihnen die Pflichten auferlegt, aber einen Teil der Rechte vorenthält?

Nein, die Rechte können sich die Leute ja eben beschaffen, indem sie sich einbürgern lassen. Aber natürlich wären es Wähler, die SP und AL dazugewinnen würden, deshalb versuchen es diese Parteien auch immer wieder.

Laut den Gemeinden, die das Ausländerstimmrecht kennen, ist das Stimmverhalten aber kaum anders als das der Schweizer. Wovor haben Sie Angst?

Es ist absolut keine Angst. Aber ich sehe den Grund für den Vorstoss nicht.

Die AusländerInnen, die hier wohnen, sind auch von den politischen Entscheiden betroffen. Wäre es zumindest aus demokratischer Sicht nicht sinnvoll, wenn Sie sich bei Themen, die sie betreffen, auch politisch einbringen könnten?

Nein, nach meinem Dafürhalten hat das Ausländerstimmrecht nichts mit Demokratie zu tun. Es geht uns auch nicht darum, ob wir das Ausländerstimmrecht gut oder schlecht finden, sondern wir wollen nicht, dass sich die Gesellschaft in eine gewisse Richtung verändert. Konkret heisst das, dass Personen, die über ungenügende Deutschkenntnisse verfügen und nur wenig mit den Schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut sind, sich schwierig in die Gesellschaft integrieren lassen.

Ist der Kulturunterschied zu einem Deutschen nicht kleiner als zu einem Genfer?

Da muss man unterscheiden. Zum Beispiel bei Leuten aus Ex-Jugoslawien sehe ich die Kulturunterschiede immer wieder. Das sind die Leute, die dann vielleicht – wenn es um ein Minarett geht – stimmen gehen und versuchen, uns in die Pfanne zu hauen.

Tun Sie damit den Deutschen, Italienern, Tamilen oder Amerikanern, die die SVP nie als negative Beispiele nennt, nicht unrecht?

Es besteht ein Unbehagen. Das ganze Bild der Schweiz verändert sich mit dem, was in den letzten zehn Jahren in der Ausländerpolitik gelaufen ist. Mit dem Ausländeranteil, mit den Problemen in der Schule – und es gibt so viele weitere Punkte, bei denen immer wieder zum Vorschein kommt, dass es nicht funktioniert.

Halten Sie Multikulturalität an sich für ein Problem?

Ja genau, es geht in diese Richtung. Zum Beispiel der 13-Jährige, den sie kürzlich mit einem geklauten Auto erwischt haben: Wenn man den Hintergrund dieser Personen sieht, dann weiss man, woher das kommt. Das ist genau die Stufe, auf der wir das Gefühl haben, dass das nicht förderlich ist. Viele wollen sich auch gar nicht einbürgern lassen.

Viele Auslandschweizer nehmen ihr Stimm- und Wahlrecht auch nicht wahr, weil es ihnen unter anderem zu kompliziert und mühsam ist. Wie stehen Sie denn zum Stimmrecht für Auslandschweizer?

Die meisten von ihnen kennen die Schweiz, die Sitten, Gebräuche und die Gesellschaft und die, die ein Interesse haben, gehen gerne an die Urne. Und sie haben auch meistens eine positivere Einstellung zur Schweiz als ein Teil der Ausländer.

Kommt für Sie das Ausländerstimmrecht in keiner Art und Weise in Frage?

Nein, absolut nicht. Das ist meine persönliche Meinung. Aber das Ziel der Linken ist es – das ist zum Beispiel auch beim Frauenstimmrecht zum Tragen gekommen –, dass man immer wieder Rädli um Rädli etwas einführen will, bis der Bürger müde wird.

Ist das politisch nicht legitim und üblich?

Natürlich ist das legitim, genauso, wie wir dagegen kämpfen werden.